Große Verkostung: Die besten Rieslinge des Jahres

Ein Jahrgang, geprägt von Wetterkapriolen, machte den deutschen Winzern einmal mehr das Leben schwer. Wie sehen die Ergebnisse beim Riesling, der Königsdisziplin des deutschen Weißweins, im Jahrgang 2023 aus? GHI hat ausführlich verkostet und präsentiert die besten Rieslinge des Jahrgangs.
Der Jahrgang 2023 war wieder kein einfacher für die Winzer in den deutschen Anbaugebieten: Extremer Trockenheit im Sommer mit einer Hitzewelle im Juli folgten ab Ende Juli, Anfang August Wochen mit starken Niederschlägen und damit verbunden einer hohen Gefahr für das Auftreten von Mehltau und Fäulnis in den Weinbergen. Der Spätsommer im September war mit Temperaturen bis zu 30°C dann wieder ungewöhnlich warm, was dazu führte, dass die verschiedenen Rebsorten gleichzeitig reif wurden und nun bei der Weinlese alles ganz schnell gehen musste. Schon bald machte der Begriff der „Turbolese“ die Runde für ein Jahr, in dem eine der schnellsten Weinernten der Geschichte stattfand.
Durch die Wetterkapriolen bestand die Herausforderung für die Winzer im Jahrgang 2023 zudem in erster Linie darin, gesunde Trauben zu ernten – eine strenge Vorselektion war vielerorts nötig, reduzierte die Erträge, aber sicherte gute und sehr gute Qualitäten. Der Riesling gehörte zu den Gewinnern des Jahres: Mit einer Anbaufläche von über 24.000 Hektar ist er mit weitem Abstand die am meisten angepflanzte Rebsorte hierzulande und steht auf fast einem Viertel der deutschen Weinberge. Die Topqualitäten der Sorte kommen frühestens im nächsten Spätsommer nach der Ernte auf den Markt und bilden einen der Höhepunkte der jährlichen Verkostungssaison.
Die Weine wurden vom GHI-Verkoster zum größten Teil mehrfach verkostet, zum einen bei der Vorpremiere der Großen Gewächse des VDP, des Verbands der Prädikatsweingüter, in Wiesbaden, wo die Weine, in Verkostungsflights sortiert, offen präsentiert wurden. Bei der Riesling-Schlussverkostung für den Weinführer Eichelmann Deutschlands Weine im Heidelberger Mondo-Verlag standen die Weine dagegen verdeckt vor einer Jury aus professionellen Verkostern.
Da immer mehr Weingüter ihren Rieslingen mehr Zeit beim Ausbau geben, standen in Heidelberg neben 27 Rieslingen aus dem Jahr 2023 noch vier aus dem Vorgängerjahrgang zur Verkostung bereit. Einer davon, der enorm komplexe und dichte Lämmler von Rainer Schnaitmann aus Württemberg, war dann auch der Favorit der Jury, gefolgt von Philipp Wittmanns animierendem, druckvollen Brunnenhäuschen aus Rheinhessen, dem rauchig-reduktiven Scharlachberg des Weinguts Bischel, ebenfalls aus Rheinhessen, und dem von klaren Steinobstnoten geprägten, intensiven Maustal des fränkischen Weinguts Zehnthof der Familie Luckert.
Schnaitmanns 2022er Lämmler lag auch beim internen GHI-Ranking ganz vorne, zusammen mit dem einmal mehr sehr beindruckenden, feinen und druckvollen Idig des Pfälzer Weinguts Christmann. Auf den Plätzen folgten hier der kräutrig-mineralische Halenberg des Weinguts Emrich-Schönleber von der Nahe, der konzentrierte Morstein des Weinguts Karl May aus Rheinhessen und mit dem geradlinigen, komplexen Doosberg des Rheingauer Weinguts Peter Jakob Kühn noch ein zweiter Wein aus dem Jahrgang 2022. Gleichauf liegt auch der Riesling Kreid der Brüder Steffen und Andreas Rings, der aus dem höchstgelegenen Gewann des Kallstadter Saumagens stammt und von dem nur wenige hundert Flaschen erzeugt werden. Und mit dem Geyersberg und dem Teufelspfad der Weingüter Weinreich und Braunewell, beide aus Rheinhessen, stehen auch die beiden deutlich günstigsten Weine der Verkostung unter den Favoriten des Jahres. Nach Preis-Leistungs-Gesichtspunkten wären sie die Gewinner.
Jens Wagner
Verkostungsnotizen
Die zwölf Top-Rieslinge aus dem Jahrgang 2023:
2023 Riesling Königsbacher Idig GG, Weingut Christmann, Neustadt-Gimmeldingen/Pfalz 95P
Sehr feines, komplexes, tiefes Bouquet mit Aromen von gelbem Apfel, Kräutern, frischem Heu, Ananas, Limette und nassem Stein, im Mund sehr elegant, salzig und herb, baut mit etwas Luft enormen Druck auf,
auch etwas Schärfe, Curryblatt, klingt sehr lange nach.
2023 Riesling Monzinger Halenberg GG, Weingut Emrich-Schönleber, Monzingen/Nahe 94+P
Komplexes Bouquet mit rauchigen, kräutrigen und mineralischen Noten, dazu etwas gelbe Frucht und frisches Brot, am Gaumen druckvoll, animierend und salzig mit viel Grip und Länge.
2023 Riesling Westhofener Morstein, Weingut Karl May, Osthofen/Rheinhessen 94+P
Eindringliches, konzentriertes Bouquet mit Aromen von gelbem Apfel, Zitrusfrüchten, Heu und Bratensauce, im Mund noch leicht verhalten, aber sehr salzig und nachhaltig.
2023 Riesling Kreid, Weingut Rings, Freinsheim/Pfalz, 94+P
Zunächst verhalten, etwas reduktiv, kreidig-kräutrige Noten, dezent frisches Heu, am Gaumen auch feine Zitruswürze, sehr elegant, salzig, enorm druckvoll und nachhaltig,
steht noch ganz am Anfang seiner Entwicklung.
2023 Riesling Birkweiler Kastanienbusch GG, Weingut Ökonomierat Rebholz, Siebeldingen/Pfalz 94P
Im Duft leicht rauchige Würze und feine Frucht, grüner Apfel, Zitronenmelisse, im Mund herbe Zitrusnoten, etwas Grapefruit, viel Grip, Druck und Länge.
2023 Riesling Westhofener Brunnenhäuschen GG, Weingut Wittmann, Westhofen/Rheinhessen 94P
Klare, intensive gelbe Frucht, feine Zitrusnoten, roter und gelber Apfel, dazu auch steinige Würze, im Mund animierend, dicht, herb und druckvoll mit feinen salzigen Noten.
2023 Riesling Binger Scharlachberg GG, Weingut Bischel, Appenheim/Rheinhessen 94P
Noch leicht verschlossenes Bouquet mit deutlichen rauchig-reduktiven Noten, am Gaumen etwas animierende Zitrusnoten, mit Grip und Druck, kraftvoll, sehr salzig und nachhaltig.
2023 Riesling Sulzfelder Maustal GG, Weingut Zehnhof Luckert, Sulzfeld/Franken 94P
Intensives, leicht rauchiges Bouquet mit klaren Aromen von gelbem Steinobst und rotem Apfel, am Gaumen konzentriert, leicht rauchig-herb, druckvoll und nachhaltig.
2023 Riesling Essenheimer Teufelspfad, Weingut Braunewell, Essenheim/Rheinhessen 93+P
Feines Bouquet mit Aromen von Zitrusnoten, Orangenschale, etwas Pfirsich, aber auch kräutrigen und steinigen Noten, im Mund ganz klassisch mit feiner Frische, animierender Zitruswürze und guter Länge.
2023 Riesling Appenheimer Hundertgulden GG, Weingut Bischel, Appenheim/Rheinhessen 93+P
Feine rauchig-reduktive Noten im Duft, auch etwas Zitrusfrucht und frisches Heu, am Gaumen intensiv, kräutrig und sehr nachhaltig, mit feiner Frucht und viel Druck.
2023 Riesling Bechtheimer Geyersberg, Weingut Weinreich, Bechtheim/Rheinhessen 93+P
Im Duft klare, aber noch leicht dezente Frucht, dazu kräutrige und steinige Noten, im Mund dann mit guter Konzentration, einem dichten Fruchtkern, leicht salzigen Noten und guter Länge.
2023 Riesling Kallstadter Saumagen GG, Weingut Philipp Kuhn, Laumersheim/Pfalz 93+P
Zunächst rauchige, steinige und kreidige Noten, dahinter auch dezente gelbe Frucht, wirkt im Mund zunächst schwebend leicht, baut dann aber enormen Druck auf. Besitzt Potential und könnte sich noch steigern.
Und noch zwei Top-Weine aus dem Jahrgang 2022:
2022 Riesling Fellbacher Lämmler GG, Weingut Schnaitmann, Fellbach/Württemberg 95P
Eindringliches Bouquet, herrlich komplex und intensiv, Kräuter, Schwarztee, frisches Heu, besitzt einen dichten Kern mit viel Grip und feinem Druck, enorme Länge, beeindruckender Wein.
2022 Riesling Oestricher Doosberg GG, Weingut Peter Jakob Kühn, Oestrich-Winkel/Rheingau 94+P
Komplexer Duft nach gelben Früchten, Apfel, Zitrusnoten, Kräutern, frischem Heu und nassem Stein, sehr animierend, herb, geradlinig und nachhaltig.