Verkostung des 2018er Jahrgangs
Die besten Spätburgunder Deutschlands
2018 war ein außergewöhnlich heißes und trockenes Jahr – gute Voraussetzungen für kräftige und farbintensive Rotweine. Aber welche Auswirkungen hatte der Jahrgang auf den Spätburgunder, der im kühleren Klima die besten Ergebnisse bringt? Bei dem eigentlich Eleganz, Frische und Feinheit im Vordergrund stehen? Wir hatten die Möglichkeit, die Top-Spätburgunder des Jahres mehrfach zu verkosten. Die Besten Spätburgunder Deutschlands finden Sie auf einen Blick in unserer Übersicht.
Einen großen Vorteil gab es 2018 für die Winzer bei der oft schon Mitte August startenden Lese: Die Trauben waren kerngesund, da es so gut wie keine Probleme mit Pilzbefall oder anderen Rebkrankheiten gegeben hatte. Zudem reagieren mittlerweile viele Winzer mit Maßnahmen wie entsprechendem Laubmanagement oder Traubenteilung im Weinberg auf einen heißen Jahrgang. Immer wichtiger wird für die Weingüter zudem die Wahl des optimalen Lesezeitpunkts: Nicht zu früh, um keine unreifen, substanzlosen Weine zu erzeugen, und auch nicht zu spät, da dann mächtige, alkoholschwere Weine das Resultat wären – was sich besonders beim Spätburgunder bemerkbar machen würde, der dann schnell brandig schmecken kann.
Seit rund 20 Jahren ist die Anbaufläche des Spätburgunders in Deutschland konstant geblieben: Auf elf Prozent der Rebfläche steht die anspruchsvolle Sorte, die nicht nur mengenmäßig, sondern auch was die erzeugten Qualitäten angeht, mit großem Abstand die wichtigste Rotweinsorte in den deutschen Anbaugebieten ist. Und dass die Top-Spätburgunder-Winzer ihre Weinberge auch im nicht einfachen Jahrgang 2018 im Griff hatten, das zeigte sich sehr deutlich bei den Verkostungen der Weine, die sich im Spitzenbereich durchweg harmonisch, fein und ausgewogen präsentierten und auch genügend Struktur besitzen, um viele Jahre Freude zu bereiten.
Der Großteil der Weine wurde bei der Ende August in Wiesbaden stattfindenden Vorpremiere der VDP.Großen Gewächse, die auch unter Corona-Bedingungen einmal mehr perfekt und mit reichlich Abstand zwischen den Verkostern organisiert war, und bei der Finalverkostung zum Eichelmann-Weinführer im Heidelberger Mondo Verlag verkostet. Hier standen 31 Gewächse aus sechs verschiedenen Regionen zur verdeckten Verkostung bereit, Baden stellte mit zwölf Weinen den größten Anteil, die Pfalz war mit fünf Weinen vertreten, die Ahr und Württemberg mit je vier, Franken und Rheinhessen mit je drei Weinen.
Einen eindeutigen Favoriten hatte die Jury aus fünf Profi-Verkostern dieses Mal nicht, am Ende standen sechs ungemein starke Weine auf dem Tisch, die alle mit 96 Punkten bewertet wurden und sich zwar in ihrer Stilistik unterschieden, aber sich qualitätsmäßig auf einem Niveau befanden: Zu den vier Granden des deutschen Spätburgunders – Fürst aus Franken, Huber aus Baden, Knipser aus der Pfalz und Meyer-Näkel von der Ahr – gesellte sich in diesem Jahr Josef Michel vom Kaiserstuhl mit seinem herrlich reintönigen und rotfruchtigen Schlossberg, das Weingut Meyer-Näkel konnte mit Kräuterberg und Pfarrwingert gleich zwei Weine in der Topriege platzieren, die beide konzentriert und von kräutriger Frische geprägt sind. Knipsers RdP, kurz für Reserve du Patron, ist mit Kraft und Struktur ganz für die Reife und ein langes Leben ausgelegt, der Hundsrück von Paul und Sebastian Fürst ist dagegen schon ungemein präsent, besitzt Druck und Länge und von Julian Huber war es in diesem Jahr einmal nicht der noch leicht verschlossene Wildenstein, der ganz oben auf dem Treppchen stand, sondern sein Schlossberg, der sich offen, elegant und äußerst charmant präsentierte.
Die interne GHI-Verkostung ging in der Punktebewertung nicht ganz so hoch, vor allem der Schlossberg von Huber wurde etwas niedriger bewertet (92P), ansonsten decken sich mit Fürst, Knipser, Michel und den beiden Meyer-Näkel-Weinen die GHI-Favoriten mit den höchstbewerteten Weinen der Eichelmann-Verkostung. Knapp hinter den Top-Fünf liegen noch einige weitere hervorragende Spätburgunder, was für das hohe Niveau des Jahrgangs und die mittlerweile erreichte hohe Leistungsdichte der besten deutschen Spätburgunder-Winzer spricht: Der Heydenreich des Weinguts Friedrich Becker stand als Faßprobe nicht in der Eichelmann-Verkostung, ist von allen verkosteten 2018er Spätburgundern der Wein mit der mächtigsten Tanninstruktur und hat ein langes Leben vor sich, außergewöhnlich gut reifen dürfte erfahrungsgemäß auch der Kirchberg von Salwey, auch wenn er sich bei den Verkostungen schon sehr zugänglich und charmant zeigte. Zugänglicher als Knipsers RdP ist der zweite Top-Spätburgunder des Weinguts, der Kirschgarten mit intensiver, präsenter Frucht und Frische, der Maustal der Familie Luckert ist wunderbar reintönig und rotfruchtig mit gekonntem Holzeinsatz, eine Spitze aus Württemberg ist Markus Heids fruchtbetonter und schlanker Lämmler und die beiden Rings-Brüder aus der Pfalz etablieren sich spätestens mit ihren beiden sehr eleganten, noch ganz jugendlichen 2018ern aus dem Saumagen und dem Felsenberg in der deutschen Spitze. Deutscher Spätburgunder bleibt extrem spannend – auch im Jahrgang 2018.
Jens Wagner