Große Verkostung: Die besten Rieslinge Deutschlands

Riesling ist die unangefochtene Nummer Eins im deutschen Weinbau. Auf knapp einem Viertel der deutschen Weinberge ist die Sorte gepflanzt, die auch die besten Qualitäten hervorbringen kann. Die Verkostung der besten Rieslinge eines Jahrgangs ist so auch immer ein Resümee des Jahrgangs an sich. Bei unserer großen Verkostung des Jahrgangs setzten sich am Ende die Gewächse aus Rheinhessen und der Pfalz an die Spitze.

Die Witterungsbedingungen der beiden Jahrgänge 2021 und 2022 könnten kaum unterschiedlicher sein: Während 2021 von einem kühlen Frühsommer und reichlich Feuchtigkeit geprägt war und Rieslinge mit einer sehr markanten Säurestruktur hervorbrachte, führte 2022 ein warmer Frühsommer zu einem beschleunigten Vegetationsverlauf und nach einem heißen und trockenen Sommer begann die Lese schon Ende August. Angesichts des im September einsetzenden Regens war dann das richtige Timing im Weinberg gefragt, um optimal gesundes und reifes Traubenmaterial zu ernten.

Bis auf einen Wein, den „Kreid“ des Weinguts Rings, wurden alle Rieslinge des Jahrgangs 2022 nach einer strengen Vorauswahl –  unter anderem bei der Vorpremiere der Großen Gewächse des VDP in Wiesbaden – im Rahmen der Schlussverkostung zum Weinführer „Eichelmann – Deutschlands Weine“ in Heidelberg verdeckt probiert. 24 Rieslinge des Jahrgangs 2022 standen vor der Jury aus erfahrenen Verkostern, elf aus Rheinhessen, sechs aus der Pfalz, drei aus dem Rheingau, zwei von der Nahe und jeweils ein Wein aus Baden und Franken.

Im Ergebnis der Blindverkostung präsentierte sich Rheinhessen dann ganz stark, die fünf Jury-Favoriten, die die höchsten Durchschnittsbewertungen erhalten hatten, stammten allesamt aus dem größten Anbaugebiet Deutschlands: Der Goldberg des Weinguts Karl May, Philipp Wittmann mit Morstein und Brunnenhäuschen und zwei Weine aus dem Hundertgulden von den Weingütern Knewitz und Bischel. Erst auf den Plätzen sechs bis acht folgten dann Weine aus der Pfalz und von der Nahe: Philipp Kuhns Saumagen, der Halenberg von Emrich-Schönleber und der Idig des Weinguts Christmann.

In der internen GHI-Verkostung teilten sich die Weine aus Rheinhessen und der Pfalz die Spitzenplätze: Hier steht der faszinierende Riesling Heerkretz von Daniel Wagner vom Weingut Wagner-Stempel an der Spitze, ein Wein mit einem komplexen und eigenständigen Aromenprofil, der in der Jury allerdings kontrovers beurteilt und diskutiert wurde. Genauso stark zeigte sich der Idig von Steffen und Sophie Christmann, die mit dem Vogelsang noch einen weiteren Wein unter den Top-Fünf platzieren konnten, beide Rieslinge präsentierten sich mit viel jugendlicher Kraft und Aromatik und schon erstaunlich offen und zugänglich. Ganz anders dagegen der Kreid von Steffen und Andreas Rings aus einer besonderen Parzelle des Kallstadter Saumagens, der enorm mineralisch und noch ganz verschlossen war, aber hervorragend reifen dürfte, was auch für das sehr steinige, salzige und karge Brunnenhäuschen des Weinguts Wittmann gilt.

Auf den weiteren Plätzen brillierten dann auch beim GHI-Verkoster die rheinhessischen Weingüter, gleich drei Betriebe waren hier mit jeweils zwei Weinen vertreten: Peter und Fritz May vom Weingut Karl May konnten mit den kraftvollen, saftigen Weinen aus dem Goldberg und dem Morstein ihre starken Leistungen des Vorjahrs bestätigen, was auch für Christian und Matthias Runkel vom Weingut Bischel und ihre kräutrig-mineralischen Weine aus dem Hundertgulden und dem Scharlachberg gilt und auch Christian und Axel Braunewell waren schon im Vorjahr mit ihren Rieslingen Teufelspfad und G700 in den Top 15 vertreten.

Die Liste wird komplettiert von Philipp Kuhns sehr starkem und nachhaltigem Saumagen, dem rauchigen und noch leicht reduktiven Hundertgulden des Weinguts Knewitz, dem offenen, sehr fruchtbetonten und kraftvollen Gräfenberg von Wilhelm Weil aus dem Rheingau und dem in diesem Jahr ebenfalls ungewohnt fruchtbetonten Ganz Horn von Hansjörg Rebholz und seinen Söhnen Hans und Valentin. Im Vergleich mit den 2021er Rieslingen sind viele der 2022er im jugendlichen Stadium schon harmonischer und ausgewogener. Welcher Jahrgang letztendlich stärker einzuordnen sein wird, wird sich erst mit einigen Jahren Reifezeit deutlicher zeigen.

Jens Wagner

2022 Riesling Heerkretz GG, Weingut Wagner-Stempel, Siefersheim/Rheinhessen 95P
Faszinierend vielschichtiges Bouquet mit Aromen von gelbem Apfel, Ananas, Kräutern und dunkler Bratensauce, am Gaumen mit herber Zitruswürze und feinen salzigen Noten, animierend, druckvoll und enorm nachhaltig.

2022 Riesling Idig GG, Weingut Christmann, Gimmeldingen/Pfalz 95P
Schon erstaunlich offenes Bouquet mit viel gelber Frucht, etwas Aprikose, gelber Apfel, Limette, unterlegt von viel kräutrig-mineralischer Würze und dezentem Holz, am Gaumen mit viel Grip und Druck, salzig und sehr animierend.

2022 Riesling „Kreid“, Weingut Rings, Freinsheim/Pfalz 94P+
Im Duft auch nach Tagen noch sehr verschlossen, rauchige Reduktion, steinig-mineralisch, am Gaumen dann fokussiert und präzise, leicht cremige Textur, viel Grip, sehr salzig und enorm nachhaltig.

2022 Riesling Brunnenhäuschen GG, Weingut Wittmann, Westhofen/Rheinhessen 94P
In der Nase noch leicht rauchig-reduktiv, steinig-kreidig und kräutrig, karg, fast keine Frucht, am Gaumen dann auch animierende Zitrusnoten, Limette, Ananas, enorm druckvoll und salzig, wird hervorragend reifen.

2022 Riesling Vogelsang GG, Weingut Christmann, Gimmeldingen/Pfalz 94P
Herrlich vielschichtiger Duft nach Kräutern, frischem Heu, Stein, gelbem Apfel, Ananas und Orangenschale, am Gaumen ausgewogen und elegant, salzig, druckvoll und sehr nachhaltig.

2022 Riesling Osthofener Goldberg, Weingut Karl May, Osthofen/Rheinhessen 94P
Komplexes Bouquet, gelber Apfel, etwas Bratensauce, leicht rauchig, kräutrig-mineralisch, im Mund feine, dezente Frucht, strukturiert, animierend und nachhaltig.

2022 Riesling Saumagen GG, Weingut Philipp Kuhn, Laumersheim/Pfalz 94P
Leicht reduktive und steinig-kreidige Noten, etwas Brotkruste, Ananas, Limette und Kräuter, am Gaumen mit animierender Zitruswürze, gutem Grip und sehr nachhaltig.

2022 Riesling Hundertgulden GG, Weingut Bischel, Appenheim/Rheinhessen 93P+
Komplexes Bouquet, kräutrige Noten, etwas Rosmarin, nasser Stein, Bienenwachs und feine Zitrusnoten, auch am Gaumen wieder Stein, deutlich mineralisch, druckvoll, animierend und nachhaltig.

2022 Riesling Westhofener Morstein, Weingut Karl May, Osthofen/Rheinhessen 93P+
Klare, feine Frucht, gelber Apfel, Zitrusnoten, Ananas, Limette, auch etwas Kräuter und Stein, auch im Mund fruchtbetont, saftig, animierend und frisch mit guter Länge.

2022 Riesling Hundertgulden GG, Weingut Knewitz, Appenheim/Rheinhessen 93P+
Noch etwas verhaltenes Bouquet, leicht rauchig und reduktiv, etwas Brotkruste und gelber Apfel, am Gaumen konzentriert, animierende Zitrusnoten, leicht salzig und sehr nachhaltig.

2022 Riesling „G700“, Weingut Braunewell, Essenheim/Rheinhessen 93P
Gute Konzentration, klare Frucht, grüner Apfel, Ananas, Orangenschale, aber auch kräutrige Noten, im Mund ebenfalls fruchtbetont, saftig, animierend und mit viel Grip.

2022 Riesling Gräfenberg GG, Weingut Robert Weil, Kiedrich/Rheingau 93P
Sehr offenes, fruchtbetontes Bouquet mit komplexen Zitrusnoten, Orangenschale, Limette und Ananas, am Gaumen auch noch etwas Aprikose mit feinem, animierendem Säurespiel.

2022 Riesling Essenheim Teufelspfad, Weingut Braunewell, Essenheim/Rheinhessen 93P
Klares Bouquet mit Noten von grünem Apfel, Kräutern, etwas nassem Stein und Bienenwachs, am Gaumen saftig, mit leicht cremiger Textur und guter Länge.

2022 Riesling Scharlachberg GG, Weingut Bischel, Appenheim/Rheinhessen 93P
Leicht rauchige Noten im Duft, dezent Brotkruste, etwas Bienenwachs und Stein, am Gaumen dann klare gelbe Frucht, kraftvoll, leicht füllig, frisch, druckvoll und lang.

2022 Riesling „Ganz Horn“ GG, Weingut Ökonomierat Rebholz, Siebeldingen/Pfalz 93P
Offenes Bouquet mit viel klarer Frucht, Aprikose, Limette, Orangenschale und grüner Apfel, im Mund auch herbe kräutrige Würze, guter Grip und feiner Druck.

Nach oben