Verkostung: Die besten deutschen Chardonnays

Hervorragende Chardonnays gibt es heute aus vielen Ländern. Daß auch in Deutschland bei der Sorte in den letzten Jahren eine Qualitätsrevolution stattgefunden hat, hat sich international noch nicht herumgesprochen. Wir haben die besten deutschen Chardonnays verkostet.

Der Chardonnay ist einer der großen Global Player im Weinberg, in jedem bedeutenden Weinbauland wird die Sorte mittlerweile angebaut. Mit einer weltweiten Rebfläche von rund 210.000 Hektar ist er auf dem fünften Platz der am meisten angebauten Rebsorten. Ein Viertel der heutigen Anbaufläche wurde erst in den letzten zehn Jahren gepflanzt, wodurch der Chardonnay das größte Wachstum bei allen Weißweinsorten verzeichnet. Und die Fläche steigt weiter.

Die deutschen Anbaugebiete bilden da keine Ausnahme: Erste Pflanzungen der Sorte sind schon in den 1960er Jahren dokumentiert, die offizielle Zulassung durch das Bundessortenamt erfolgte aber erst 1991. Noch Mitte der 1990er spielte der Anbau mit unter 300 Hektar nur eine sehr geringe Rolle, bis heute ist die Fläche aber auf rund 2400 Hektar angestiegen und nimmt jedes Jahr um weitere 100 Hektar zu. Damit liegt der Chardonnay hinter Riesling, Müller-Thurgau, Grauburgunder, Weißburgunder und Silvaner auf dem sechsten Platz der in Deutschland angebauten weißen Sorten. In Rheinhessen und der Pfalz stehen zwei Drittel der deutschen Chardonnay-Reben, weitere regionale Schwerpunkte gibt es in Baden und Württemberg.

Doch nicht nur die Rebfläche für Chardonnay hat in den vergangenen Jahren beständig zugenommen, auch das Verständnis für den Umgang mit und den Ausbau der Rebsorte ist enorm gewachsen. Hochwertiger Chardonnay gewinnt durch den Ausbau im Eichenfass, im Barrique oder im Tonneau. Während noch vor wenigen Jahren viele Weine von den Röstnoten des Holzfasses dominiert wurden, gehen die Topwinzer heute wesentlich behutsamer vor, wählen Fässer, die weniger stark getoastet wurden und so weniger Aromen an den Wein abgeben, reduzieren den Anteil an neuen Holzfässern oder bauen den Wein in größeren Gebinden aus. 

Zudem geht der Trend weg von schweren, fetten, buttrigen Chardonnays, wie sie früher typisch für den sogenannten „Neue-Welt-Stil“ waren. Vor allem Kalifornien war hier das stilistische Vorbild, aber selbst hier gab es immer auch Chardonnays, die sich deutlich am großen internationalen Vorbild des Burgund orientierten. Die deutschen Topwinzer setzen heute ganz auf Eleganz, Finesse und Frische, zudem werden manche der Weine von Jahr zu Jahr puristischer und präziser.

Die Blindprobe der besten deutschen Chardonnays beim Heidelberger Mondo-Verlag für den Eichelmann-Weinführer wurde so in den letzten Jahren immer spannender, das Niveau der Weine steigt mit jedem Jahrgang. Und die Spitze wird breiter und liegt nahe beieinander, was sich bei der aktuellen Verkostung, bei der Weine der Jahrgänge 2019 und 2020 in der Konkurrenz standen, wieder einmal bestätigt hat.

Die beiden Favoriten der Eichelmann-Jury waren die Lagen-Chardonnays Schlossberg und Bienenberg von Julian Huber, der mit seinem kompromisslosen, präzisen Stil mit stets präsenter, frischer Säure und gekonnten Reduktionsnoten von Schießpulver und Zündplättchen in den vergangenen Jahren zum stilistischen Vorbild vieler deutscher Winzer wurde. Auf den Plätzen folgten der Opus Oskar des Weinguts Jülg, der Réserve-Chardonnay des Weinguts Knewitz und der Castellberg von Martin Waßmer, alles Weine mit höchstens 13 Volumenprozent Alkohol und sehr gekonnt eingesetztem, nur stützenden, aber nie dominantem Holz.

Der Opus Oskar von Johannes Jülg und Martin Waßmers Castellberg finden sich auch in der internen GHI-Verkostung ganz vorne, zusammen mit dem Réserve der Brüder Runkel vom rheinhessischen Weingut Bischel, knapp dahinter folgen Hubers Schlossberg und der sehr elegante, sehr burgundische Astheimer Chardonnay von Paul und Sebastian Fürst, der in der betriebsinternen Klassifikation eigentlich erst an dritter Stelle hinter dem „R“ und dem Bürgstadter Berg liegt, aber jedes Jahr verlässlich stark ist. Danach folgen der Chardonnay*** des Weinguts Knipser, der zum Zeitpunkt der Verkostung deutlich präsenter war, als der vom Weingut eigentlich höher eingestufte Vier-Sterne-Chardonnay, der sehr hefewürzige Wein des Weinguts Heinemann, der „RR“ von Thomas Seeger, der nur knapp vor seinem „R“ lag und die beiden fruchtbetonten Weine der Weingüter Knauß und Schlumberger-Bernhart. Daß die Bewertungen alle sehr nahe beisammen liegen, zeigt das hohe Niveau und die Leistungsdichte, die deutsche Chardonnays in der Spitze mittlerweile erreicht haben.

Jens Wagner

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